Pflichtverteidigung
Als Pflichtverteidiger bezeichnet man im deutschen Strafprozess einen durch das Gericht dem Beschuldigten beigeordneten Strafverteidiger. Ob ein Pflichtverteidiger einem Beschuldigten beigeordnet wird, richtet sich nicht nach dessen finanziellen Verhältnissen, sondern ausschließlich danach, ob ein Beschuldigter nach Meinung des Gesetzgebers in der Lage ist, sich selbst zu verteidigen oder nicht. Die Annahme "Wer kein Geld für einen Anwalt hat, bekommt einen Pflichtverteidiger!" ist ein weit verbreiteter Irrtum, denn im deutschen Strafrecht gibt es so etwas wie Prozesskostenhilfe für den Beschuldigten nicht.
In einigen Fällen muss das Gericht auf jeden Fall einen Pflichtverteidiger beiordnen, so z.B. wenn die Angelegenheit in erster Instanz vor dem Landgericht oder Oberlandesgericht verhandelt wird, dem Beschuldigten ein Verbrechen zur Last gelegt wird, ein Berufsverbot droht oder die Untersuchungshaft vollstreckt wird. In anderen Fällen wird ein Pflichtverteidiger dann beigeordnet, wenn das Gericht der Meinung ist, dass die Zuziehung eines Verteidigers geboten ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn "wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint", oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann.
Die Schwere der Tat beurteilt sich nach ständiger Rechtsprechung vor allem nach der zu erwartenden Rechtsfolgenentscheidung. In diese Erwägung mit einzubeziehen sind auch mögliche Widerrufsentscheidungen aufgrund der neuerlichen Straffälligkeit, infolge derer eine längerfristige Strafverbüßung droht. Im strafrechtlichen Erkenntnisverfahren ist in der Regel eine Pflichtverteidigung gemäß § 140 Abs. 2 StPO wegen der Schwere der Tat erforderlich, wenn eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr in Betracht kommt.
Liegen die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers vor, erhalten Sie in der Regel vom Gericht einen Brief mit einer Frist (1-2 Wochen), in der Sie einen Rechtsanwalt Ihrer Wahl und Ihres Vertrauens benennen sollen. Sie bzw. Ihre Angehörigen sollten spätestens jetzt unbedingt einen Strafverteidiger aufsuchen und diesen bitten, für Sie als Pflichtverteidiger tätig zu werden. Nur so haben Sie Einfluss auf die Auswahl Ihres Verteidigers! Dies ist umso wichtiger, als die Auswahl und Beiordnung eines Pflichtverteidigers ansonsten vom Gericht vorgenommen wird und bis zur Rechtskraft der Entscheidung gilt.
In jedem Fall sollten Sie frühzeitig einen Rechtsanwalt aufzusuchen, um mit diesem die für Sie besten Verteidigungsmöglichkeiten zu besprechen. Gerne berate ich Sie in allen Fragen zur Pflichtverteidigung.